Oooh, Herr Müller! Du Orakel im Dreiteiler…
Du hast gesprochen – und siehe, das Volk solle doch froh sein, dass es überhaupt noch arbeiten darf. Nicht die Wirtschaft sei zuständig für existenzsichernde Löhne – ach was, das sei Sache der Sozialhilfe. Wie großzügig. Wie rücksichtsvoll. Wie erbärmlich.

Du stellst dich hin, fettgefüttert vom Wohlstand, der auf der Schwiele anderer gebaut ist, und meinst, wer 40 Stunden pro Woche seine Bandscheiben verkauft, soll bei Engpässen halt aufs Sozialamt dackeln wie ein Hund, der vergessen hat, wo sein Napf steht.

Wozu überhaupt noch Löhne? Reicht ja, wenn man dem Arbeiter täglich eine Motivationsbroschüre, einen Müesliriegel und einen Sack warme Luft überreicht. Und das selbstverständlich unter der Maxime: Dankbarkeit zeigen, sonst Abgang durch die Hintertür.

Was sind das für „Arbeitgeber“, die nicht geben, sondern nur nehmen? Die sich der Verantwortung entziehen wie Schnecken dem Salz? Sie nehmen die Arbeitskraft, die Lebenszeit, den Schweiss – und wenn am Monatsende die Existenz wackelt, winken sie auf die Behörde. Die Bude läuft, die Bilanz glänzt, die Boni sprudeln – und der Mensch? Der wird zur Kostenstelle mit Beinen.

Die Wirtschaft nicht verantwortlich für Löhne, von denen man leben kann? Das ist wie ein Wirt, der Bier verkauft, aber sagt: Trinken müsst ihr beim Nachbarn.

Und dann diese Zahlen: 1061 Franken zum Überleben – ohne Miete, ohne Krankenkasse. Reines Vegetieren. Eine Anleitung zum Würdeloswerden in Monatsraten. Und das wird auch noch als „Grundbedarf“ verkauft. Als wär’s ein Geschenk.

Was ihr da predigt, ist keine Ökonomie. Es ist Verachtung mit Rechenschieber.

Ihr feiert Euch als Leistungsträger, aber Eure Leistung besteht vor allem darin, andere für Euch schuften zu lassen.
Doch auch der Hund, den man tritt, merkt sich das Gesicht des Treters. Und irgendwann beisst er.

Oder um es mit kynischer Klarheit zu sagen:

„Non merces est labor, sed contemptio.“
(Nicht der Lohn ist der Lohn der Arbeit, sondern die Verachtung.)

Herr Müller, Du wärst ein hervorragender Hofnarr des Turbokapitalismus.
Nur dass bei dir das Lachen fehlt – und der Verstand.

 

 

Quelle:
Blick.ch, «Nach Arbeitgeber-Eklat – Wie viel Geld braucht es in der Schweiz überhaupt zum Leben?»
„Hier wird uns offenbart, wie der Turbokapitalismus die Grenze zwischen Existenzminimum und Würdelosigkeit zieht — ein Grundbedarf, der in Wahrheit ein Verhöhnungsbeitrag ist, verpackt in Zahlen, die das Elend institutionalisiert und die Verachtung zur offiziellen Währung macht.“

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